Abschrift des TV Auftritts von Brigitte Moret - in der Sendung Quer SF DRS vom Freitag 23.Mai 2003 / 20.30 Uhr.

     
Vor ziemlich genau sechs Jahren hat Brigitte Moret ihren damals 18 jährigen Sohn Manuel verloren. Durch ein Verbrechen, das bis heute ungeklärt ist :

     
Sonntag, 6. April 1997. Gegen Abend verlässt Manuel Ramseier sein Elternhaus in Lyss. Wann genau und mit welchem Ziel, das ist unklar. Am späteren Abend bezieht er Geld an einem Bancomat, danach verliert sich seine Spur. Als Manuela m nächsten Tag nicht zur Arbeit erscheint, meldet ihn seine Familie als vermisst :

    

Brigitte Moret, Mutter von Manuel: „ Für mich ist klar gewesen, dass etwas passiert ist. Ich habe nicht gewusst was, aber ich wusste von sich aus geht Manuel nicht einfach weg. „

Manuel bleibt verschwunden. Brigitte Moret sucht nach Ihrem Sohn. Sie fragt bei Freunden und Bekannten nach, verteilt Flugblätter und verfolgt jede noch so unwahrscheinliche Spur. Die Polizei ist zu diesem Zeitpunkt keine grosse Hilfe. Man nimmt die Vermisstenanzeige nicht ernst – Manuel ist volljährig – die Polizei geht davon aus, dass er ganz einfach von Zuhause weggelaufen ist.
Immer wieder fährt Brigitte Moret nach Biel. Sie weiss, dass Manuel ab und zu kifft und dass man das Gras auf der Kirchterrasse kaufen kann. Im Laufe der Tage – und Wochenlangen suche, wird der Ort immer wichtiger für sie :

 
Brigitte Moret,: „ Ich lernte die Leute hier kennen und weil ich sonst nicht wusste, wo nach Manuel suchen, war es mir hier irgendwie wohl. Die Leute hier haben mich verstanden und es hat mich einfach immer wieder hier her gezogen. Ich kann auch nicht genau sagen warum. Ich habe einfach immer gehofft er lebt noch. Aber es gab auch Zeiten, wenn ich ganz am Boden zerstört war, in denen ich dachte, das sei nicht mehr möglich. Ich habe trotzdem immer weiter gesucht. Bis zum letzten Tag habe ich gesucht.“

Fünf Wochen nach seinem Verschwinden wird Manuel Ramseiers Leiche gefunden. In einem Ausgleichsbecken des Kraftwerks Bern – Felsenau. Er ist an den Füssen gefesselt und hat Verletzungen an Kopf und Rücken. Als Todesursache wird ertrinken festgestellt. Für den Fall zuständig ist die Stadtpolizei Bern, aktuell sucht sie nach einem etwa 25 jährigen Mann, mit dunkelblonden halblangen Haaren. Er soll im Besitz von Dingen gewesen sein, die Manuel Ramseier gehörten und die verschwunden sind.

 Sprecher der Stadtpolizei Bern : „ Seit Beginn der Ermittlungen der Stadtpolizei Bern, sind wir unzähligen Hinweisen nachgegangen, die aber leider nicht zur Klärung dieses Verbrechens führten. Wir wissen also die näheren Umstände die zum Tode führten nicht. „

 
Das Interview :

Quer Moderator: „ Seit sechs Jahren ist Manuel tot. Seit sechs Jahren haben Sie keine Ahnung, wer der Täter sein könnte. Was bedeutet das für Sie Frau Moret ? „


Brigitte Moret, Mutter von Manuel : „ Das bedeutet für mich, dass ich einfach immer auf der Suche bin, immer daran denke, was geschehen ist. Ich habe keinen Täter, das wäre sehr wichtig für mich. Ich habe eigentlich gar nichts, ausser meinen Gedanken und Verdächtigungen.

    
Quer Moderator: „ Welchen Einfluss hat dieses  „ Nicht – Wissen“ und das Suchen nach Antworten auf Ihr Leben ?

    
Brigitte Moret: „ Es hat einen sehr grossen Einfluss. Ich habe mich die ersten Jahre einfach total zurückgezogen. Ich habe fast nichts mehr unternommen. Immer waren diese Fragen in meinem Kopf – wer hat es getan und wo ist es passiert  ? Ich weiss nicht einmal wo. Ich weiss eigentlich gar nichts.“

    
Quer Moderator: „ Fühlen Sie auch so, wenn Sie arbeiten gehen ? Sie sind Kindergärtnerin, haben viel mit Kindern zu tun ? „

    
Brigitte Moret: „ Nein, das ist der einzige Ort, an dem ich es vergesse. „

    
Quer Moderator: „ Welche Momente sind es, in denen Manuel Ihnen am nächsten ist ? „

    
Brigitte Moret: „ Sicher wenn ich alleine Zuhause bin. Wenn ich ein Kind sehe, das Manuel ähnlich sieht. Oder eben in solchen Momenten, in denen ich irgendetwas lese, wie zum Beispiel eine Gebrauchsanweisung in der steht : Manuell bedienen. Dann gibt es diese Momente in denen mir einfach die Tränen kommen. Es gibt ganz viele solche Dinge und Momente, in denen es mir begegnet.“

    
Quer Moderator: „ Sie haben keine Therapie gemacht um das Ganze zu verarbeiten, aber Sie nehmen Medikamente. ( Antidepressiva ) Haben Sie in der ganzen Zeit einmal versucht ohne diese Medikamente zu leben ? „

    
Brigitte Moret: „ Ja, ich habe es zwei, drei mal versucht, aber es geht nicht. Und jetzt habe ich mich entschieden, dass ich diese Medikamente weiterhin nehmen werde. So geht’s.“

    
Quer Moderator: „ Was ist passiert, als Sie die Medikamente abgesetzt haben ? „

    
Brigitte Moret: „ Ich bin in ein tiefes Loch gefallen und wusste nicht mehr, wie ich dort wieder heraus finde. „

    
Quer Moderator: „  Wie reagiert Ihre Umwelt auf Ihre Situation ? Die Leute spüren, dass Sie leiden, dass Sie immer nach Antworten suchen, dass Sie nicht mehr die Selbe sind wie vorher. Wie reagieren Freunde und Bekannte ? „

    
Brigitte Moret: „ Sie reagieren sehr unterschiedlich, oft sehr hilflos. Aber sie versuchen zu helfen. Ich denke es ist für sie auch eine schwierige Situation. Sie wissen nie, ob sie es ansprechen sollen und dabei vielleicht den falschen Moment treffen oder wenn sie es nicht ansprechen, habe ich manchmal das Gefühl es sei ihnen egal. Also einfach ist es nicht. Für sie nicht und für mich nicht. „

    
Quer Moderator: „ Und innerhalb der Familie ? Sie sind ein zweites mal verheiratet jetzt, die Schwester von Manuel – Estelle – lebt ebenfalls in der gleichen Familie, wie unterstützen Sie sich gegenseitig ? „

    
Brigitte Moret: „ Wir reden darüber. Oder sie lassen mich einfach in Ruhe, wenn es mir schlecht geht. „

    
Quer Moderator: „ Sind sie oft alleine ? „

    
Brigitte Moret: „ Ich bin gern alleine, ja. „

    
Quer Moderator: „ Haben Sie oft das Gefühl allein zu sein mit dem ganzen Schmerz ?

    
Brigitte Moret: „ Nein, eigentlich nicht mehr. Seid ich diese Selbsthilfegruppe habe kaum noch. Dort verstehen sich alle untereinander, uns ist allen dasselbe passiert. „

    
Quer Moderator: „ Alle haben ein Kind verloren durch ein Verbrechen ? „

    
Brigitte Moret: „ Durch einen Mord, ja. Alle.“

    
Quer Moderator: „ Sie haben sich bei Quer gemeldet und sich vorgenommen den Schritt zu machen, nach sechs Jahren an die Öffentlichkeit zu gehen. Was erwarten Sie ? „

    
Brigitte Moret: „ Ich erhoffe mir einen psychischen Druck auf den Täter. Ich habe das Gefühl er kann nach sechs Jahren doch nicht einfach so weiter leben. Das ist doch nicht möglich. Auch wenn er sich anonym melden würde – wenn ich nur wüsste, was passiert ist ! „

    
Quer Moderator: „ Was würde es für Sie bedeuten zu wissen wer der Täter ist ? „

    
Brigitte Moret: „ Ich würde vielleicht wieder meinen Glauben an die Gerechtigkeit finden, den habe ich total verloren. Und ich möchte einfach nicht, dass er frei und glücklich weiterleben kann und Manuel wurde das Leben genommen. „

    
Quer Moderator: „ Sie sagten Sie wären froh, wenn er sich wenigstens anonym melden würde ? „

    
Brigitte Moret: „ Ja, wenn ich nur wenigstens wüsste, was passiert ist und an welchem Tag Manuel gestorben ist ? „

    
Quer Moderator: „ Damit Sie einen Todestag hätten und Abschied nehmen könnten ?

    
Brigitte Moret: „ Ja. „

    
Quer Moderator: „ Wenn der Täter jetzt weiterhin unerkannt bleibt, wenn man ihn nicht fasst, was würde das für Sie bedeuten ? „

    
Brigitte Moret: „ Ich versuche das Ganze in einem Buch zu verarbeiten, an dem ich gerade schreibe. Mein ganzes Leben, die Suche nach Manuel, wie das Verbrechen bearbeitet wurde…Ich denke einfach es ist nicht möglich in der Schweiz, dass diese Tat nicht aufgeklärt wird. „

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